Autor: Fritz I. Schwertfeger
Bilder: Fritz I. Schwertfeger / Pioneer
11. Januar 2018
Pioneer Rayz Plus - Als smarte In-Ears mit besonderem Mehrwert lassen sich Pioneers Rayz Plus am kürzesten beschreiben. Was das genau im Detail bedeutet, mit welcher klanglichen Signatur die Rayz Plus aufwarten und wie sich ihre Alltagstauglichkeit in Sachen Handling und Komfort verhält, soll im folgenden Artikel erläutert werden.
Auf den ersten Blick sieht der Rayz Plus von Pioneer zunächst wie ein in unseren Breitengraden häufig anzutreffender In-Ear aus. Seine offensichtlichste Besonderheit, wobei wir der Ehrlichkeit wegen hier von mehreren Besonderheiten sprechen müssen, offenbart sich erst auf den zweiten Blick, nämlich der Lightning-Anschluss an seinem Kabelende. Das schränkt ihn gewissermaßen für die Verwendung von iOS-Devices ein, bietet aber dafür bei der Nutzung aufgrund direkter digitaler Datenübertragung und gleichzeitiger Energieversorgung handfeste Vorteile, wie sich nachfolgend zeigen wird.
Kurzer Exkurs in die Vergangenheit. Für die Meisten von uns ist der klassische 3,5 mm Klinkenanschluss seit je her untrennbar mit mobilen Musikgenuss verbunden. Ob der legendäre Walkman von Sony oder Apple mit seiner iPod Serie, der Siegeszug mobiler Unterhaltung war stets mit dem unscheinbaren Klinkenstecker verbunden.
Wer sich seit der Einführung des iPhone 7 für ein Apple-Modell entscheidet, wird vergebens nach besagt gewohnter Andockmöglichkeit suchen. Zugang finden Kopfhörer mit klassischen Klinkenanschluss zwar per Adapter, aber wirklich elegant ist das nicht. Was bleibt sind die Alternativen: Bluetooth oder eben der direkte Weg über den Lightning-Anschluss.
Als einer der ersten Hersteller stattet Pioneer seine Rayz In-Ears mit dem Lightning-Anschluss aus und eröffnet so neue Möglichkeiten und Funktionalitäten, die es bisher in dieser Form so nicht gab. Wir erinnern uns, neben Datenübertragung zählt auch die Energieversorgung zu den Vorteilen des Lightning-Anschlusses. Eine App zur Steuerung eigens konzipierter Funktionalitäten kann kaum ein anderer In-Ear vorweisen und Aktives Noise Cancelling ohne externe Akkuversorgung? Ist mir nicht bekannt, hier macht Pioneer seinem Namen tatsächlich alle Ehre.
Der geringe, aber dennoch erforderliche Energiebedarf wird kurzerhand über die Reserven des iDevices sichergestellt. Das ist nicht nur elegant sondern auch smart. Ebenso smart auch die Möglichkeit das iDevice wieder aufzuladen, selbst wenn der In-Ear gerade den Lightning-Anschluss in Beschlag nimmt. Der Rayz Plus bietet hier eine Art Bypass für die Energieversorgung in Form eines am Kabel befindlichen Lightning Anschlusses. Die Netzteilversorgung des iPhones hier angeschlossen, voilà. Das ist auch übrigens, neben der unterschiedlichen Farbgebung auch der größte Unterschied zwischen dem Rayz und dem Rayz Plus.
Zugegeben, das Bicolor-Design des im Grunde schwarzen Treibergehäuses welches wahlweise in Kupfer oder Graphit Akzente nach außen setzt, sieht man nicht an jeder Ecke. Und auch seine Formgebung, frontal und mit etwas Fantasie betrachtet an das ehemalige Pioneer Logo erinnernd ist nicht alltäglich.
Während der immer noch filigran und schmal gehaltene Gehäusekorpus fließende, organische Rundungen statt üppiger Auswüchse aufweist, bietet die Schallkammer genügend Volumen und Spielraum für den 9,2 mm messenden Treiber, um ihn auch zu entsprechenden Tiefgang zu befähigen.
Der Rayz Plus, gerade mal 5 Gramm leicht, lässt sich absolut bequem, satt und verwacklungssicher tragen. Am Ohr selbst wirkt er nicht wie ein Fremdkörper, sondern schmiegt sich bei piekfeiner Materialanmutung auch dank des eingewinkelten Schallkanals sanft an den Ohrbereich seines Trägers. Die mitgelieferten Comply Ohranpassstücke, die sich dank ihres Memorymaterials wunderbar an das Innenohr anpassen sorgen ebenso für hohen Tragekomfort, ohne eigen verursachte Fremdgeräusche oder Körperschall zu übertragen.
Für geringe Reibungsgeräusche sorgt auch das weich ummantelte Kabel, das sich erfreulich flexibel und formbar zeigt. Und das ohne dabei eine unangenehme Bereitschaft zum Verknoten an den Tag zu legen. Die zweifarbige, eher länglich und schmal gehaltene und am Kabel integrierte Bedieneinheit vereint nicht nur die üblichen und bekannten Funktionalitäten. Freihändiges Telefonieren mittels integrierten Mikros sowie Rufannahme durch Tastendruck sind ebenso selbstverständlich, wie die Steuerung der Musikwiedergabe und Veränderung der Lautstärke.
Aber auch wenn es nicht danach aussieht, verbirgt sich das „smarte Wesen“ des Rayz Plus genau in diesem unscheinbaren Kästchen und zwar in Form der LightX Plattform, eingebettet im hochintegrierten AV3425 Rechenchip des amerikanischen Spezialisten Avnera. Dieser Baustein ist rechenstark genug, um das Digitale Signal Processing bei den üppigen Zusatzfunktionen von statten gehen zu lassen. Auch die reine Wandlung des Musiksignals ( bis 24 bit / 48 kHz max.) erfolgt innerhalb der unscheinbaren Bedieneinheit.
Die dazugehörige und kostenlos im App Store erhältliche Rayz-App ist die Schnittstelle, die eine bequeme Steuerung und Einstellung der In-Ears erlaubt. Ist der Rayz In-Ear mit dem Smartphone verbunden, lässt sich sowohl die Firmware als auch die App selbst bequem und zukunftssicher stets auf den neuesten Stand halten. Das erlaubt auch die Integration von neuen Funktionen, die im Laufe der Zeit dazukommen.
Kommen wir zu den Funktionalitäten, von denen eingangs und auch jetzt ständig die Rede ist. Die Rayz Plus In-Ears von Pioneer sind dank ihrer App nicht nur personalisierbarer als jeder andere mir bekannte In-Ear, sondern auch ihrer Zeit weit voraus. Gleich sechs Mikrofone, jeweils zwei an jedem In-Ear und zwei an der Bedieneinheit, kommen zum Einsatz.
So lässt sich beispielsweise Apples Sprachassistentin Siri nutzen, während das Headset im Ohr getragen wird. Warum sich nicht neu eingehende Mails von Siri ins Ohr flüstern lassen und das Smartphone dabei in der Jackentasche belassen? Unliebsame und neugierige Blicke des Sitznachbars lassen sich auf diese Weise elegant vermeiden. Vielleicht auch einen Anruf tätigen oder Siri den nächsten Künstler oder eine Playlist aus der eigenen Musikbibliothek bzw. aus Apple Music wiedergeben lassen? Die Möglichkeiten sind vielfältig und ein Paradies für spielfreudige Naturen.
Nette Spielerei könnte man jetzt meinen, aber es geht noch weiter. Das Adaptive Noise Cancelling des Rayz Plus geht einen Schritt weiter, als das auf einen bestimmten Frequenzbereich fest eingestellte Verfahren der meisten anderen Hersteller. Ist der In-Ear einmal im Ohr eingesetzt und auch das ist eine Besonderheit - per Knopfdruck der App auf das Gehör seines Trägers kalibriert und angepasst - erfasst der Rayz Plus je nach Standort und Gegebenheit die Geräuschintensität der Umgebung und passt die Geräuschunterdrückung entsprechend an.
Das funktioniert außerordentlich gut und führt zu einem gesteigertem Musikerlebnis, schließlich wird man nicht durch die unerwünschte Geräuschkulisse aus dem Hintergrund abgelenkt. Aber auch ohne Musik erweist sich das als recht praktisch, erlaubt es sogar auch eine laute, nervige Umgebung um einige db abzuschwächen, wenn es denn mal lauter zugeht.
Der Equalizer an sich ist keine großartige must-have Errungenschaft, dennoch kann er sich in der einen oder anderen Situation als ganz brauchbar erweisen. Gleich viel smarter wird es dann wiederum mit der HearThru-Funktionalität. Nanu, erst blendet man alle Geräusche aus, um sie dann partiell wieder reinzulassen? Exakt, denn der Nachteil an der vollkommenen Ausblendung jeglicher Außengeräusche liegt auf der Hand.
Man läuft Gefahr nichts mitzubekommen, was in manchen Situationen nicht nur ungünstig, sondern auch recht gefährlich werden kann. In drei Stufen einstellbar lässt sich so ein Stück der Außenwelt wieder in das musikalische Geschehen einfügen, beispielsweise wenn man als Fahrradfahrer am Straßenverkehr teilnimmt oder am Bahnhof auf die Zug-Ansagen wartet.
Ein weiteres Feature stellt das automatische Stummschalten des aktiven Mikrofons bei Unterbrechung des Gesprächs statt. So kämpft der Teilnehmer am anderen Ende nicht gegen einen Geräuschpegel aus dem Hintergrund an, während er das Gespräch fortführt. Ein im Alltag ebenfalls nicht zu unterschätzendes Extra ist das intelligente Pausieren. Nehme ich beide In-Ears aus den Ohren, wird die Wiedergabe angehalten und dann wieder wie von Geisterhand gestartet, sobald sie wieder im Ohr positioniert sind. Das ist praktisch, weil man so Zen-mäßig ruhig bleibt, statt genervt wegen der x-ten Unterbrechung den Startbildschirm des iPhones nach der Play-Pause Taste abzusuchen.
An der Bedieneinheit findet sich auch die sogenannte Smart Taste. Diese lässt sich frei nach Gusto konfigurieren und erlaubt beispielsweise das Ablegen einer Playlist, die auf Knopfdruck wiedergegeben wird. Möglich auch das Aufrufen einer App, die so ohne großen Aufwand direkt und unmittelbar verfügbar ist.
Für den Hörtest und um den ganzen Zusatzfunktionen des Pioneer Rayz Plus auf den Zahn zu fühlen, bietet sich eine pragmatische Situation am Besten an. Typisches Beispiel, ein gewöhnlicher Freitagabend mit dem Nachwuchs. Der Fernseher läuft, zur Muße bleibt nur wenig Zeit und die Anlage muss stumm bleiben, weil die Kleinen auf ihre spärlichen 30 Minuten Fernsehgenuss drängen.
Es läuft das Avishai Cohen Trio mit dem Stück „Crazeology“ aus dem Album From Darkness. Und oha, wer hätte das gedacht, hier spielt der Rayz Plus seine Stärken durchaus verblüffend aus und legt klanglich hoch ambitioniert, erstaunliche Qualitäten an den Tag. Der bei aktiven Noise Cancelling oftmals einhergehende Rauschgrund ist beim Pioneer Rayz Plus so gering, dass er im Grunde so gut wie nicht wahrnehmbar ist. Aber eins nach dem anderen.
Mit aktiviertem adaptiven Noise Cancelling reduziert sich der außen vorherrschende Geräuschpegel sehr deutlich. Sogar der nach einigen Minuten zwangsläufig einsetzende Streit zwischen Kind 1 und Kind 3 drängt so gut wie nicht mehr an die Ohren.
Wie gut HearThru funktioniert, lässt sich hier ebenfalls prima ausloten. Die Folge: Flugs pronto wieder in Richtung Geräuschunterdrückung. So profitiert letztlich nicht nur das Nervenkostüm des Autors, nein viel wichtiger - auch klanglich stellt sich heraus - ist das durchaus als Vorteil zu sehen.
Da die Geräuschkulisse nicht mehr ablenkt, reicht es die Augen zu schließen um eine tiefere Konzentration in Richtung der herrlich agil gezupften Bassläufe von Avishai Cohen zu entwickeln und so das Ein- und Ausschwingen der Saiten mit mehr Detailschärfe und Umriss aufzunehmen.
Erfreulich hierbei: Obwohl der Rayz Plus satt und sonor in den unteren Oktaven auftritt, bleibt das temporeiche, impulsive Spiel von Avishai Cohen mit seinen dynamisch fein abgestuften Sprüngen und der variantenreichen Intensität erhalten. Ein künstlich herbeigeführtes Aufdicken im Frequenzkeller sucht man hier vergebens, der Rayz Plus glänz mit hohem Spielwitz, kräftigen aber gleichzeitig konturiertem und präzisem Verhalten seines Tieftons.
Aber auch in den mittleren Lagen zeigt der Pioneer Rayz Plus eine erfreuliche Neutralität, Agilität und Transparenz. Da perlt beispielsweise das Klavier mit deutlicher Einfassung und einer energetischen Körperhaftigkeit, die man eigentlich von höherpreisigen Modellen gewohnt ist.
Das Hochtonverhalten würde ich ebenfalls eher in neutrale, unkapriziöse Gefilde verorten. Sehr klar und fein aufspielend, ohne überpräsent zu wirken, erlaubt der Rayz somit langanhaltendes Hörvergnügen. Eine vor Eifer überbordende, gar silbrig intonierte Spielweise in den oberen Registern ist ihm fremd. Wohltemperierte, klare Höhen mit viel Detailauflösung und samtigen Grundcharakter sprechen klar für ihn. Wer sich nicht unbedingt zum Toningenieur berufen fühlt und Hochtonauflösung bis zur Schmerzgrenze fordert, dürfte an der charmant ausbalancierten Spielweise des Pioneer keinerlei Anlass zur Kritik finden.
Im Vergleich zum Astell & Kern AK T8iE ist seine räumliche Darstellung ein Stückchen vordergründiger und reicht nicht ganz an die weit in die Tiefe hineinleuchtende Charakteristik des teslabewährten Koreaners heran. So zeigt sich bei "King Without A Crown" von Matisyahu aus dem Live at STUBB´s Album nicht nur eine realistisch in die Breite gehende Darstellung des Geschehens auf der Bühne, sondern es gelingt dem Pioneer auch die Live-Szenerie untermalenden Hintergrundgeräusche und die Teilnahme der Zuhörer sehr griffig und plastisch einzufassen. Chapeau!
Der Pioneer Rayz Plus ist seiner Zeit eindeutig voraus. Intuitive Sprachsteuerung, adaptives Noise Cancelling, die auf audiophile Wiedergabe getrimmte Klangqualität und weitere smarte Features werten das im alltäglichen Gebrauch befindliche iPhone als Quellgerät deutlich auf. Schon allein die Tatsache, dass sich all dies in einem unauffällig wirkenden In-Ear vereint, verdient neidlose Anerkennung. Akkupacks oder Ladeschalen sind dem Pioneer Rayz Plus fremd, was sein Handling ebenfalls unkompliziert und entspannt gestaltet.
Wer viel auf Reisen und hierbei platzsparend mit wenig zusätzlichen Gerätschaften unterwegs sein möchte, findet im Rayz Plus eine durch künftige Updates permanent zukunftsfähige, wohlklingende Komplettlösung mit smartem Mehrwert. Der Lightning In-Ear bietet eine homogene und hohe Klangqualität, für die bei einer klassischen 3,5 mm In-Ear Variante entweder mehr Geld auf den Tisch gelegt oder in einen zusätzlichen externen Verstärker investiert werden müsste.
Das HiRes-Files nicht unterstützt und statt dessen auf 48 kHz heruntergerechnet werden, sieht man dem Rayz Plus aufgrund seiner hohen Klangperformance gerne nach. Vielleicht bringt Pioneer ja eines Tages noch den Rayz HD Plus, dann wäre die Sache perfekt. Bis dahin kann sich getrost an seinem neutral ausgelegten, jegliche Feinheiten nachzeichnenden und unaufdringlichen Höhenspiel, dem eloquent mit breitem Farbanstrich unterlegten Mittelton und der sonoren, kräftigen Tieftonabteilung erfreut werden. Die klangliche Abstimmung des Pioneer dürfte auch audiophil verwöhnten Ohren zusprechen und bei Betrachtung der abgerufenen 179,00 Euro auf dem Preisetikett für freudiges Entzücken sorgen.
Preis: 179,00 Euro
Erhältlich im Fachhandel sowie über www.pioneer-audiovisual.eu
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