Autor: Fritz I. Schwertfeger
Bilder: Fritz I. Schwertfeger / Sennheiser
13. Dezember 2020
Der neue Sennheiser HD 560S reiht sich als günstigeres Geschwistermodell unterhalb des HD 660S ein. Damit bietet der deutsche Kopfhörerspezialist auch all jenen audiophil ausgerichteten Musikfreunden eine Option auf einen, mit der DNA des HD 660S aufwartenden, offen konstruierten Sennheiser Over-Ear-Kopfhörer, deren Budget knapper gefasst ist.
Sennheiser HD 560S - Übertriebene Bescheidenheit kann den Entwicklungsingenieuren von Sennheiser gewiss nicht vorgeworfen werden. Denn mit ihrem neu konstruierten HD 560S wollen sie im Grunde nichts anderes, als die bestens beleumundeten Klangtugenden des kostspieligeren HD 660S in die darunter befindliche Preisklasse übertragen.
Dass bei solchen hehren Zielen immer Kompromisse eingegangen werden müssen, liegt auf der Hand. Daher verwundert es auch nicht weiter, dass sich die technische Basis auf die hier zurückgegriffen wird, in der HD 500er Serie wiederfindet. Deren optische Signatur in Form des charakteristischen, wie gleichermaßen futuristisch wirkenden „S-Shape-Designs“ springt förmlich ins Auge. Der gänzlich in schwarz gehaltene Kopfhörer, entleiht sich auch andere Kleinigkeiten des größereren HD 660S, wie beispielsweise den linksseitig angebrachten Sennheiser-Schriftzug auf dem Kopfband.
Und auch das dezent gestaltete, in der Gitterstruktur hervorgehobene Firmenlogo findet sich wieder, so dass diese optische Anlehnung und der Verzicht auf optische Kontraste wie sie in der 500er Serie durchaus zu finden sind, nicht nur die spezielle Verwandtschaft dokumentiert, sondern auch gleichzeitig eine bewusste visuelle Abgrenzung zur 500er Serie darstellt.
Dem Kopfbügel des HD 560S spendierten die Entwickler eine dickere Polsterung als dem HD 599, die zudem von einer mittigen Senke unterbrochen wird. Das findet sich auch beim HD 660S in dieser Form und ist deswegen clever, weil unschöne Abdrücke in der Polsterung vermieden werden, die beim punktuellen Aufliegen bei so manchem Kopfhörerständer entstehen können. Ebenfalls erfreulich, mit seinen 240 Gramm nimmt der Over-Ear-Kopfhörer in durchaus unbeschwerter Manier seinen Platz auf dem Denkapparat ein.
Was mir auffällt ist, dass er einen höheren Anpressdruck, als der HD 599 mitbringt, woran man sich aber recht schnell gewöhnt. Insgesamt ist der Tragekomfort durchaus als sehr hoch zu bezeichnen, sicherlich auch den großen, gepolsterten und mit hautschmeichelndem Velours umhüllten Ohrpolstern geschuldet.
Die Ohrmuscheln sind beweglich über eine raffiniert designte Gabel am Kopfhörerbügel angebracht und erlauben neben ihrer Höhenverstellung auch eine leichte Neigbewegung, so dass sich das weiche Material des Ohrpolsters in Verbindung mit dem höheren Anpressdruck besser als beim HD 599 an die individuellen anatomischen Kontouren seines Trägers anschmiegen kann.
Das bietet durch die gleichmäßige Verteilung nicht nur Vorteile beim Komfort, sondern auch bei der klanglich wichtigen Abdichtung des Raumes zwischen Kopfhörer-Membran und dem Außenohr. Hier bietet das Velours den Vorteil, dass es im Gegensatz zu Kunstleder nicht die Eigenschaft hat, schallschluckend zu sein, sondern eben akustisch transparent. Die Beschaffenheit und die Oberfläche des Ohrpolstermaterials nimmt über eine, wenngleich sicher marginale Frequenzgangsveränderung durchaus klanglichen Einfluss, so dass Velours durchaus nachgesagt wird, für eine etwas „offenere und beweglicher anmutende“ Klangsignatur zu sorgen, während insbesondere gelochte Kunstlederohrpolster für energetischeren Tief- und Hochton geschätzt werden.
Aber kommen wir wieder zurück zum Komfort, Velours sorgt auch dafür, dass bei längeren Hörsessions die Haut nicht ins Schwitzen kommt, was bei einem geschlossen Material wie Kunstleder nicht der Fall ist. Auch die Verarbeitung gibt keinen Grund zur Klage und auch wenn der Kopfhörer größtenteils aus Kunststoff besteht, hinterlässt er einen wertigen Eindruck, gibt sich weder beim Dreh- und Zugtest noch unter kritischer Betrachtung eine Blöße. Sicherlich könnten kritische Zeitgenossen jetzt auch einwenden, dass ein Sony MDR-1A oder ein Audio-Technica ATH-MSR7 in ähnlichen Preisregionen beheimatet sind und in Sachen Anmutung doch ein wenig mehr zu bieten haben. Aber zum einen ist das ja sowieso immer Geschmackssache und zum anderen handelt es sich bei den beiden genannten Kopfhörer, und ist kein unbedeutender Unterschied, um geschlossene Modelle.
Sennheiser schickt mit dem HD 560S, analog zu seinem HD 660S Vorbild, einen dynamischen, offen konstruierten Kopfhörer ins Rennen. Die Außengeräuschdämmung ist, wie bei einem offenen Kopfhörer zu erwarten ist, eher gering ausgeprägt, was aber in ein ruhiger Hörumgebung zuhause nicht weiter ins Gewicht fällt. Dafür aber im Umkehrschluss, die Schallausbreitung nach außen durch den Kopfhörer selbst. Für Bus und Bahn wird es sicherlich geeignetere Kopfhörer geben.
Mit gering eingestellter Lautstärke dürfte es dennoch selbst dort vorstellbar sein, aber Hand aufs Herz, wer will schon die Bratschensonate, speziell das Adagio-Allegro von Rebecca Clarke gemeinsam vermengt mit den ständigen Durchsagen der Haltestellen und den Gesprächen seiner Mitmenschen hören? Eben.
Blicken wir ein wenig tiefer ins Detail. Tatsächlich würde in dieser Preisklasse (Kostenpunkt 200,00 Euro) niemand ernsthaft einen exotischen Magnetostaten erwarten. Was aber die Tüftler bei Sennheiser nicht davon abhielt, einen gänzlich neuen Treiber zu entwickeln. Dessen Polymerblend-Membran deckt von kräftigen Magneten angetrieben einen Frequenzbereich von 6 Hz bis 38 kHz ab. Zahlen hin oder her, die Kunst ist es ja, eine derartige Breitband-Membran so zu konstruieren, dass sie einerseits sehr klar und transparent aufspielt, bei hohen Frequenzen aber nicht aufbricht. Harsch und glasig soll es ja nicht klingen. Gleichzeitig soll sie in den unteren Registern nicht unkontrolliert schwingen, denn einen schwammigen und unpräzisen Bass will ja auch niemand.
Über etwaig störende, weil gegensätzlich einwirkende Schallanteile, die von der Rückwand eines geschlossenen Gehäuses reflektiert werden, muss sich die Membran des HD 560S keine Gedanken machen. Dank des offenen Konstruktionsprinzips arbeitet die Membran, rückseitig betrachtet, auf einen offenen Raum hin und strahlt folgerichtig ihre Energie ungehindert nach Außen ab. Was eben auch dazu führt, dass auch das Umfeld „mithört“.
Weiter ist aus der Entwicklungsabteilung zu vernehmen, dass das besondere Materialgemisch der Membran, wohl auch dank des starken Antriebs, sowohl hohe Impulsfreude als auch eine ausgesprochen lineare Auslenkung ermöglicht. Mit der daraus resultierenden Folge, dass eine besonders einhergehenden Brillianz jenseits der 10 kHz Marke erzielt wird. Das festzustellen, sollte demnach keine größere Mühe bereiten.
Eine leicht seitliche Anordnung des Treibers soll für mehr Räumlichkeit sorgen, das macht durchaus Sinn, weil die unterschiedlichen anatomischen Höhen- und Tiefenniveaus unseres Außenohrs, besser gesagt der eigenen Ohrmuschel für entsprechende Reflektionen sorgen, die der Lokalisierung in räumlicher Ebene dienlich sind. Für sauberen Tiefton sollen wiederum ausgeklügelte Dämpfungseigenschaften sorgen, wovon wir uns im Hörtest natürlich nur all zu gerne überzeugen lassen wollen.
Gibt es Grund zur Kritik? Die Ausstattung des Kopfhörers beschränkt sich auf ein 6,35 mm Adapterkabel und einem 3 Meter messenden 3,5 mm Klinken-Kabel, was ja an sich erst mal kein Grund zum Meckern darstellt. Aber, eine Tragetasche zum Verstauen unterwegs, wäre sicherlich nicht verkehrt gewesen, schließlich will man den HD 560S nicht nur zuhause, sondern auch mal auswärts am See oder im Wohnwagen aufsetzen. Das geht nämlich durchaus ganz gut, denn der HD 560S macht auch an Smartphone oder Tablet angeschlossen eine gute Figur. Dass so manch Kopfhörerfreund bei den angegebenen 120 Ohm des Kopfhörers nervös werden könnte, erweist sich somit als unbegründet.
Selbst direkt am MacBook Air lässt sich der HD 560S ordentlich antreiben, indes er an einem leistungsstarken, stationären Kopfhörervestärker wie den Mytek Brooklyn DAC+, oder einem portablen Chord Mojo erst zu Höchstform aufläuft. Ebenso aber auch an einem kompakten Digital Audio Player wie dem HiBy R3 PRO, der nicht nur lange, ausgedehnte Ohrenbackensessel-Hörssessions ermöglicht, sondern auch eindrucksvolle Lautstärkepegel am Sennheiser erzeugt.
Das lässt sich ganz trefflich mit dem Album „Aw C´mon“ von Lambchop feststellen, denn bei einer Pegelskala des HiBy R3 PRO von maximal 100 ist für einen Leisehörer wie mich bereits bei einem Wert von 45 - 50 die Komfortzone erreicht, während es in Richtung 70 - 75 und weiter aufwärts fast schon ungebührlich laut zugeht. Erfreulich dabei immerhin die Feststellung, dass der Sennheiser HD 560S auch bei leisen Pegeln nicht blutleer oder ausgedünnt wirkt, sondern gerade auch dann Kurt Wagners sonore Männerstimme mit kräftigem Duktus, d.h. der für eine authentische Präsenz notwendigen Körperlichkeit entsprechend serviert.
Gerade bei diesem musikalischen Werk, in dem mit verträumt ruhigem Tempo aber andererseits auch mit hintergründig komplex verwobenen Elementen gearbeitet wird, zeigt sich der HD 560S einer lebendigen, gleichsam feintransparenten und farbintensiven Wiedergabe verpflichtet. Dabei schiebt er im Tiefton druckvoll, ausgesprochen trocken wie präzise und noch dazu tief hinabreichend an, verkneift sich aber erfreulicherweise eine Aufdickung des Grundtons, so dass die erwähnte Farbintensität ohne Nebenwirkungen wie das Überlagern, bzw. zurückdrängen von Gesangesstimmen oder einer eher dumpferen Wiedergabe erzielt wird.
Die räumliche Spielweise des Sennheiser HD 560S ist durchaus bemerkenswert und ich würde sogar behaupten, bezogen auf die Preisklasse eine besondere Ausnahmeerscheinung im positiven Sinn. Das deswegen, weil man sich direkt ins musikalische Geschehen eingesogen fühlt und diese involvierende Gangart durch eine unaufgeregte, will sagen, sehr natürlich anmutende Spielweise erreicht wird. So werden beispielsweise die erklingenden Streicher im Stück „Four Pounds In Two Days“ mühelos heraus gearbeitet, stehen dabei nicht unmotiviert irgendwo im Raum, sondern zeigen sich exakt verortbar, während der sie drumherum umgebende Raum dazwischen, wie auch in seiner allgemeinen Ausdehnung nicht vernachlässigt wird.
So gelingt dem Sennheiser nicht nur eine treffliche Lokalisation, sondern auch eine wie ich finde, gerade für diese Preisklasse ebenso beeindruckend hohe Separationsfähigkeit, die einzelne tonale Ereignisse sauber voneinander abgrenzt und gleichzeitig einen Blick in förmlich alle Winkel des Aufnahmeraumes ermöglicht. Bei der Tiefenortung und auch Breite der Bühne zeigt ihm zwar ein Focal Elear das noch mehr möglich ist, aber da muss sich der Sennheiser HD 560S gar nicht grämen, kostet doch der Focal doch bedeutend mehr.
Interessant vielleicht der Vergleich zum HD 599, der aufgrund der geringeren Impedanz von 50 Ohm lauter und somit zunächst auch scheinbar selbstbewusster Auftritt. Zwar kann der HD 599 die Klangverwandtschaft nicht leugnen, zeigt sich aber weicher, nicht ganz so klar und piekfein eingefasst wie der HD 560S. Dieser zeigt sich dann aber doch in den obersten Lagen feiner auflösend und liefert zudem eine feinere Granulierung. Auch seine Transparenz im Mittenband wirkt klarer, während sich der Tiefton vielschichtiger, straffer und auch beweglicher zeigt. Mit dem HD 560S, und das erscheint mir auch als eine seine Stärken, nehme ich viele Nebendetails wie selbstverständlich wahr. Dabei muss sich das Gehör nicht mal besonders anstrengen, um sowohl tonale Ebenen als auch feine rhythmische Zusammenhänge herauszuhören. Das alles mag dem großen Bruder HD 660S letztlich noch beeindruckender, ja man will schon sagen, müheloser und mit einem fundierterem, körperlich betonterem und gleichsam wunderbar leichtfüssig und besonders natürlich anmutenden Mittenband und einer feiner eingefassten Facettierung in den oberen Lagen gelingen, aber alles andere wäre ja noch schöner gewesen.
Wer für den konzentrierten Musikgenuss in ruhiger Umgebung einen treuen und unaufgeregten Begleiter sucht, dürfte im Preissegment um die 200 Euro mit dem Sennheiser HD 560S für lange Zeit glücklich werden. Seine gänzlich in schwarz gehaltene Erscheinung verleiht ihm fast schon pastorale Anmutung. Sie ist aber auch als gänzlich unaufgeregte Design- und Formsprache interpretierbar.
Was seine klanglichen Fähigkeiten anbelangt, ist der Sennheiser HD 560S eine bemerkenswerte Ausnahmeerscheinung, die man unbedingt in die engere Auswahl ziehen sollte. Belohnt er doch mit leichtem Gewicht, angenehmen Tragekomfort und einer auf der leicht helleren Seite von Neutral angestammten, eloquenten und leichtfüssigen Spielweise. Diese wird von einer bemerkenswerten Räumlichkeit und einem unaufgeregten, akkurat neutral ausgerichteten Mittenband geprägt. Äußerst transparent, luzide mit hoher Natürlichkeit sowie sattem, aber präzise konturierten Tieftonfundament, spielt er dennoch ermüdungsfrei und langzeittauglich.
Sennheiser electronic GmbH & Co. KG
Am Labor 1
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Erhältlich für 199,00 Euro im Fachhandel oder direkt im Web-Shop von Sennheiser.
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