Autor: Fritz I. Schwertfeger
Bilder: RHA / Fritz I. Schwertfeger
Es ist schon verwunderlich, einerseits werden die Schotten bei keiner Gelegenheit müde zu erwähnen, dass sie als kleine Manufaktur am Markt agieren - und als solche ohne die schier unerschöpflichen Ressourcen von Großkonzernen auskommen müssen. Um dann postwendend mit verblüffenden Neuentwicklungen um die Ecke zu kommen. Der erste Paukenschlag war bereits der RHA T10i, dessen Test gar nicht mal so lange zurückliegt. Sein aufwendiges Herstellungsverfahren mittels anspruchsvollem Spritzguss-Verfahren setzte bereits Zeichen. Der mit high-endigen Klangambitionen antretende T20 soll dieses Ausrufezeichen fortsetzen und mit neuentwickelten DualCoil Treibern für Furore sorgen.
Der neue In-Ear aus Glasgow verzichtet bewusst auf eine Kabelfernbedienung nebst Freisprech-Möglichkeit und damit auch auf das "i" in der Namenklatur. Die Schotten haben dafür auch eine ganz einfache Erklärung parat. Der neue In-Ear richtet sich in erster Linie an anspruchsvolle Musikhörer, die ihre hochwertigen Bügelkopfhörer lieber zu Hause lassen wollen, aber dennoch auch unterwegs ihre hochaufgelösten 24 Bit/192 kHz HiRes-Files oder die erworbenen DSD-Schätze mit Playern vom Schlage eines Astell&Kern, Calyx oder FiiO genießen wollen. Die mobilen High-End-Player verfügen darüber hinaus über kräftige wie hochwertige Ausgangsverstärker, mit welchen es für den T20, auch dank niedriger Impedanz, ein Leichtes sein sollte, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Telefonieren lässt sich mit den audiophilen Mobilplayern nicht, somit erachtete man in Glasgow auch die Kabelfernbedienung im Grunde für überflüssig.
Abgesehen von besagter wie praktischer Fernbedienung am Kabel, findet sich das gleiche umfangreiche Zubehör wie es beim T10i der Fall ist. Angefangen von den in einem hübschen Metall-Rahmen eingefassten Ohrstücken in unterschiedlichen Größen und Variationen, (inklusive 2 Paar Schaumstoffohrstücke), bis hin zum schützenden Transport-Etui wurde an alles gedacht.
Noch ein paar ergänzende Worte zum Kabel. Das knapp 1,3 Meter lange Kabel hüllt sich diesmal in dezentem schwarz und verzichtet auf den gräulich-militärischen Look. Ein Abknicken der Kabels wird verhindert, in dem es im kritischen Bereich um die Klinken mit einer Feder aus Metall ummantelt ist, die für Flexibilität und Schutz sorgt. Damit dürfte das Kabel auch einen ruppigen oder hektischen Umgang im Alltag mühelos über sich ergehen lassen.
Ebenso dabei sind auch die aus dem T10i bekannten Filtereinheiten, die eine dezente und den persönlichen Vorlieben folgende Klangausrichtung erlauben. Die in Sekundenschnelle mittels präzisem Gewinde mit dem Treibergehäuse in Verbindung tretenden Filtereinheiten, sorgen ohne den Frequenzgang zu strapazieren, entweder für eine leichte Hochtonanhebung (goldener Filter) oder für eine Betonung der tieferen Tonanteile (schwarzer Filter). Die für ein linear ausgelegtes Klangbild ausgerichteten Reference-Filter sind bereits vormontiert. Augenfällig auch hier die präzise Verarbeitung, alles ist akkurat und qualitativ sehr hochwertig gefertigt.
Bis zu diesem Punkt gibt es noch Gemeinsamkeiten mit dem T10(i), aber spätestens beim Treiber hören diese schlagartig auf. Beim gemeinsamen Treibergehäuse gab es im Grunde kaum noch Raum für
Verbesserungen, also beließ man es beim bewährten und per Spitzguss gefertigten Edelstahlgehäuse. Dieses schmiegt sich dank seiner an die menschliche Anatomie orientierte Formgebung, ohne
Umschweife und mit bequemen Sitz an das Ohr an. Eine farbliche Markierung sorgt für ein praktikableres Handling, rot nach rechts, schwarz nach links, dass lässt sich gut merken. Der Sitz und
Komfort ist mit kurzen Worten ausgedrückt, ausgesprochen angenehm und eine Klasse für sich.
Mitverantwortlich zeigt sich hierfür auch die vielleicht für viele zunächst ungewöhnliche Kabelführung. Vom Treibergehäuse ausgehend, wird der Bereich um das Ohr herum von einem zum Patent angemeldeten, flexiblen und den individuellen Konturen seines Trägers anpassbaren Ohrbügel umfasst. Zweck des Ganzen ist es unliebsamer Mikrofonie vorbeugen, für Halt, Stabilität und zusätzlich auch für eine aufgeräumte Optik zu sorgen. Was dem diesmal schwarz ummantelten Ohrbügel, auch sehr gut gelingt. Hand- und Augenschmeichler sind die Edelstahlgehäuse der Treibereinheiten, die in unzähligen Schritten gebürstet und poliert werden.
Der mit Hochdruck in Form gegossene Edelstahl (MIM - Metallspritzgußverfahren) suggeriert nicht nur eine hohe Qualität und Wertigkeit, sondern gewiss ein wenig Übertrieben dargestellt, auch eine schiere Unzerstörbarkeit. Hier beschleicht den Autor bereits der Gedanke, dass diese Hörer dem Kollegen Stefan Schickedanz lieber nicht in Hand gedrückt werden sollten. Denn mit Vorliebe neigt dieser dazu solche Sätze und auch die entspre-chenden Edelstahlgehäuse mit wilden Panzerfahren auf ihre Belastbarkeit zu prüfen.
DualCoil
Anders als sonst üblich, geben sich die Schotten mal nicht wortkarg, wenn es um die Treiber geht. Ganz im Gegenteil, dass hier mit ihrem DualCoil genannten Treiber sehr viel Aufwand und viel gedankliche Akrobatik getrieben wurde, mag man bei den Schotten gar nicht groß verhehlen und spricht sogar von einer Neuentwicklung der traditionellen dynamischen Treiber.
Also spendierten die Ingenieure von RHA dem brandneuen Treiber des T20 eine zusätzliche Schwingspule, die innerhalb eines ringförmigen Magneten residiert. Eine speziell entwickelte Membran wird innerhalb zweier unterschiedlicher Bereiche von jeweils einer der beiden Schwingspulen in Schwingung gebracht. So sorgt die äußere Spule für die Erzeugung der oberen Mitteltöne und der Höhen, während die tiefen Frequenzen und die unteren Mitteltöne im Arbeitsbereich der inneren Spule stehen. Der Hochton wurde mit einem Frequenzverlauf auf bis zu 40 kHz bedacht damit HiRes-Inhalten nicht von vornherein die Luft nach oben fehlt. Das an einen Biegewellenwandler angelehnte Prinzip stellt für einen In-Ear ein durchaus bemerkenswertes Konzept dar, was den anstehenden Hörtest um so spannender werden lässt.
Nachdem sich der T20 knappe vierzig Stunden einspielen durfte, wurde er für den Hörtest er an den kraftvoll wie ultrapräzise aufspielenden mobilen High-End-Player Calyx M angeschlossen.
JAZZ
Die zu beginn des Stückes „Stimela“ von Hugh Masekela mit beinahe unbändiger Dynamik angeschlagenen Trommeln, gab der T20 kraftvoll und knochentrocken wieder. Wo andere In-Ears hier bereits ins Trudeln geraten und sich mit einem unpräzisen, schwammigen Bass aus der Show stehlen, blieb der Schotte vollkommen unbeeindruckt und behielt Zügel souverän in der Hand. Mit viel Lebendigkeit, Präzision und glaubwürdiger Intensität erklang die rauh schimmernde Stimme von Hugh Masekela. Die fein intonierten Farbwechsel der stimmlichen Koloration wurden akribisch herausgearbeitet und mit breiter Abbildung tief in das Geschehen auf der Bühne hineingeleuchtet. Der T20 machte mit hochkarätiger Lupenreinheit mühelos feinste Details hörbar, ohne dabei Schärfe oder Härte aufkommen zu lassen. Sein eher neutraler Habitus folgte akribisch dem musikalischen Geschehen, ließ ihn zart und behände bei leiseren Passagen auftreten, breitbandig und kraftvoll wenn es die Situation erforderte. Ob Backvocals, die im Hintergrund mäandernden Synthesizer-Klänge, knackig angespielten Bassläufe oder das gelegentlich mit reichlich Verve bearbeitete Schlagwerk - der T20 spannte ein substanzvolles, feinseidiges Klang-panorama auf, das mit Präzision, Feingeistigkeit und Homogenität am ehesten zu beschreiben war. Der sicheren Hand eines Maestro gleich, wies er jedem Instrument seinen bitteschön einzunehmenden Platz zu und beeindruckte mit hoher Trennschärfe, enormer Abbildungspräzision und rassiger, beseelter Spielfreude. Die einen Zug imitierenden Zischlaute von Masekela blieben präzise, klar und dabei frei von beißender Schärfe. Beindruckend auch die Farbenpracht und detaillierte Körperlichkeit mit der Saxophon oder Trompete dargeboten wurden. Da glänzte und schimmerte es mit einem Facettenreichtum, dass es nicht nur eine Freude war, sondern Gänsehautmomente aufkamen. Hallfahnen beim Ausklingen einzelner Töne wurden deutlich wahrnehmbar, während Masekelas virtuos in Szene gesetzte Darbietung auf der Trompete vor Agilität und Kraft nur so strotzte. Bemerkenswert die Fähigkeit des T20 diese Homogenität auch bei leiseren Lautstärken beizubehalten.
Deutsch Pop / Singer-Songwriter
Die gleiche Akribie, Schnelligkeit und Feinzeichnung zeigte der RHA auch bei „Der Mond lacht“ aus dem Debütalbum (Mine) der talentierten deutschen Sängerin Mine. Offener, weiträumiger und mit größerer Emotionalität aufgeladen, überzeugte der T20 auch im direkten Vergleich zum aus dem gleichen Hause stammenden T10i. Der T20 ließ die im Hintergrund spärlich dosierten Klavieranschläge mit klarer, gefühlter Distanz anklingen, folgte mit präziserer Handschrift und einer wie losgelöst wirkenden Ausdruckskraft dem musikalischen Geschehen. Kompakter, aber wuchtiger der T10i, plastischer und mit präziserem Farbduktus der T20. So gefiel auch die Mühelosigkeit mit welcher der T20 den unterschiedlichen Schattierungen im Gesang Ausdruck verlieh. Und während der treibend angeschlagenen Takt die Richtung vorgab, marschierte der Schotte mal mit lieblicher, mal mit fordernder Gangart durch die tonalen Ebenen des Stücks und bot dabei eine sehr transparente Darbietung. Mit sehr viel Weite und Raum umgab er das Stück, ließ die Musik schnell, fließend und einnehmend erklingen, so dass man aufpassen musste, nicht augenblicklich dem Wunsch nach einem (im Falle des Autors sicherlich peinlich anzusehenden) freien Ausdruckstanz nachzugeben.
Klassik / HiRes
Mit fast schon majestätisch anmutender Erhabenheit trug der Schotte das aus der Feder des italienischen Komponisten Antonio Caldara stammende, und als Download von highresaudio.com in 24 Bit/96 kHz vorliegende Stück „Chiaccona in B-Flat Major, Op.2, No 12“ aus Caldaras Triosonaten vor. Die tonale Harmonie in dem von Barockviolinen geführten Werk war, um es auf den Punkt zu bringen - von begeisterndem Habitus. Da musizierte das Cemballo im Hintergrund klar und präszise vernehmbar, mit Freude und Eleganz, während der Basslauf des Bass-Streichinstruments Violoncello in unregelmäßigen Abstand einsetzte. Unangestrengt, ohne in sensiblen Bereichen des Hochtons fransig oder rauh zu werden, zelebrierte der T20 förmlich seine Fähigkeiten in Sachen enorme Transparenz und Detailauflösung. Er schaffte gar das Kunststück bei aller temperamentvollen Offenheit mit einer bemerkenswert natürlichen Spielweise zu punkten und so eine enorm musikalische und harmonische Gesamtdarbietung abzuliefern. Hervorzuheben auch erneut die unangestrengt wirkende Leichtigkeit und Agilität im Spielfluss.
Garage Rock- The Black Keys
Und auch mit rockigerer Musik, wie dem Stück „Money Maker“ aus dem El Camino Album von The Black Keys stellte der T20 seine kräftige, sehnige und gleichzeitig fein ausbalancierte, definierte Spielweise eindrucksvoll unter Beweis. Das rotzig rauhe Gitarrenspiel stand hervorragend im Feuer während das Schlagzeug mit Druck und Biss punktete. Keine Zweifel also, dass der Schotte auch straff und konturiert die Muskeln spielen lassen konnte. Wie ein drahtiger Zehnkämpfer definierte der T20 einen sauberen Druck in den unteren Oktaven an die Ohren. Dynamische Sprünge? Ein Leichtes. Die transparent-offene Spielweise und der enorm beweglich wirkenden Mittelton führten zu einer von Lebendigkeit und Emotionalität strotzenden Wiedergabe.
Der T20 ist im Tenor seines klanglichen Ausdrucks, der Neutralität und Homogenität zugewandt. In seiner Kraft und Dynamik sorgsam ausbalanciert, bleibt er in den unteren Oktaven sehr straff und konturiert. Dabei webt er einen geschmeidigen, körperhaften Grundton und einen facettenreichen, vornehm brillanten Hochton zu einer absolut stimmigen und mit großartigem Timing geprägten Darbietung zusammen. Die gleichzeitige Leichtigkeit im Spielfluss und das dynamisch, elegante Auftreten quer durch sämtliche Musikgenres adelt den T20 zum Meisterstück der Schotten.
Und erneut zeigt sich, dass die Schotten wieder einmal außergewöhnlich tief stapeln, um es letztlich wieder richtig krachen zu lassen. Wie auch immer, denjenigen der mit dem Gedanken spielt, seine musikalischen Wege künftig mit In-Ears von RHA zu bestreiten, wird es freuen. Denn auch wenn der T20 mit seinen 220,00 Euro kein Sonderangebot ist, bietet er einen Gegenwert, der in Sachen Material-Anmutung, Qualität und vor allem bei der klanglichen Darbietung anderswo weitaus kostspieliger honoriert werden muss.
Innovative Technologien und der Mut neue Wege zu gehen, zeichnen RHA mittlerweile als Geheimtipp aus. Mit dem T20 liefern die Schotten ihr – derzeitiges – Meisterwerk ab. Das sagt der Autor mit aller gebotenen Vorsicht. Denn jedes mal wenn der Eindruck entstand, das war es jetzt, mehr geht in diesem preislichen Segment klanglich wie qualitativ nicht mehr...Sie ahnen es gewiss...dann zauberten die Entwickler von RHA wieder etwas Außergewöhnliches aus ihrem Hut.
Preis: 219,00 Euro
audisseus
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Fritz I. Schwertfeger
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